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Bordeaux: Ursula, dein Wein ist da!

Der Herr gegenüber ist wahrscheinlich der Bürgermeister.
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Der Captain nimmt ein Festessen in Bremen zum Anlass, um einen gut gemachten und nicht zu teuren Bordeaux zu empfehlen.
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[Dieser Artikel erschien in großen Teilen bereits 2015] Zum ersten Mal in der Geschichte der traditionsreichen Bremer Schaffermahlzeit durften im Jahr 2015 auch Frauen teilnehmen. Und damit das auch jeder kapiert, haben die Gastgeber gleich eine prominente Überfrau auf die Gästeliste gesetzt: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.

Auch ein paar weitere Damen wurden an die große Tafel gebeten, zum Beispiel die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, zwei Unternehmerinnen und zwei Kapitäninnen. Es war ein Anfang. Bis dahin durften weibliche Gäste nur in getrennten Räumlichkeiten beiwohnen. Wie nett. Über dieses Festessen, das jedes Jahr von wohlhabenden Bremer Bürgern („Schaffer“ genannt, die unter den Mitgliedern der Schifferbruderschaft ausgewählt werden und die ganze Sause bezahlen) ausgerichtet wird, berichten die Medien regelmäßig rauf und runter. Über den Wein für das Dinner und wie der ausgewählt wird, allerdings nicht.

Zum Glück gibt es den Captain, der über diese wichtige Nebensache schreibt. Die Getränke zur Schaffermahlzeit sind üblicherseise ein speziell gebrautes alkoholfreies Malzbier, deutscher Weißwein und ein Rotwein aus dem Bordelais. Und das war die Speisefolge im Jahr 2015: Bremer Hühnersuppe, Stockfisch mit Senfsauce und Salzkartoffeln, Grünkohl mit Pinkel, Rauchfleisch, Maronen und Bratkartoffeln, Kalbsbraten mit Selleriesalat, Katharinenpflaumen und gedämpfte Äpfel, Butt mit Sardellen, Wurst, Zunge, Chester-Käse und Früchte.

2021 wird es → kein Schaffermahl geben. Wie schade. Aber so richtig zufrieden sahen die Gäste des Schaffermahls im Februar 2020 auch nicht gerade aus. Haben ihnen die Aktivisten von Fridays for Future den Abend verdorben oder erahnten sie die nahende COVID-Katastrophe?

Wie gelangt nun der Wein in die Gläser der noblen Abendgesellschaft und wer entscheidet, welcher Tropfen das ist? Ganz einfach: 9 Bremer Weinhändler wetteifern jedes Jahr im Rahmen einer Blindverkostung um den lukrativen Zuschlag. Eine weinkundige Delegation der Schifferbruderschaft wählt aus. So einfach ist das. Wer hat 2015 gewonnen?

Nun, das ist schnell gesagt: zum zweiten Mal in Folge hat derselbe Rotwein das Rennen gemacht. Allerdings kam 2015 ein jüngerer Jahrgang zum Zug, nämlich der rote Bordeaux Château Arnauld Cru Bourgeois 2010 aus dem Anbaugebiet Haut-Médoc. Der Schafferwein muss ja immer ein Bordeaux sein, so will es die Tradition. Und dass nun zweimal hintereinander ein Wein aus dem Haut-Médoc blind ausgewählt wurde, ist kein großes Wunder.

Das Médoc ist ein etwa 70 Kilometer langes und 25 Kilometer breites hügeliges Plateau nördlich der Stadt Bordeaux. Die Region besteht aus acht Appellationen: Haut-Médoc, Listrac, Margaux, Médoc, Moulis-en-Médoc, Pauillac, St-Estéphe und St-Julien. Am Mündungstrichter der Gironde befinden die besten Lagen des Haut-Médoc. Der Kiesboden hier sorgt für eine gute Durchlässigkeit des Bodens. Denn nichts stört Reben bei der Aromenentwicklung so sehr wie zuviel Wasser. Und genau von dort kommt unser Château Arnauld, dessen Reben in einer Weinlage auf der Ebene von Arcins wachsen, gegenüber der Stadt Blaye. Er ist eine klassische Bordeaux-Cuvée aus den Rebsorten Cabernet Sauvignon und Merlot.

Die untersten Lagen mit den Sandböden sind nicht so begehrt. Dort stehen die Rebstöcke nämlich viel zu oft im Wasser. Weiter oben an den Kieshängen, wo die Pflanzen tiefe Wurzeln schlagen müssen, um an Feuchtigkeit zu kommen, wachsen die feinen Tröpfchen. Immer umweht von einer Brise Meeresluft. Château Arnauld befindet sich (wie einige andere Weingüter) im Besitz der Allianz-Gruppe. Mit dem französischen Durchschnittsnamen erinnert alles irgendwie ein bisschen an Herrn Kaiser von der Hamburg Mannheimer.

Die Weinberge von Château Arnauld (etwas über 17 Hektar) sind dicht bepflanzt und die Reben im Durchschnitt vierzig Jahre alt. Viel Handarbeit, niedrige Erträge, Verarbeitung im modernen Maschinenpark – hier will jemand durchaus seriös Wein machen. In Rufweite liegen die Spitzen-Châteaux Chasse Spleen und Poujeaux, was die Reputation der Nachbarn aufwertet.

Médoc ist das Mutterland der Globalsorte Cabernet Sauvignon, der viel Sonne benötigt, um gut auszureifen und seine Eigenschaften optimal auszuspielen: Rasse, Beerigkeit und runde Tannine. Die anderen Rebsorten der Region heißen Merlot, Cabernet Franc, Malbec und Petit Verdot. Merlot bringt als Cuvée-Partner geschmeidige Weichheit, dunkle Fruchtaromen und eine würzige Lorbeer-Note ein. Im Château Arnauld Cru Bourgeois schwimmen 70% Cabernet Sauvignon, 20% Merlot und 10% Petit Verdot.

Der Captain probierte den Wein, bevor ihn die Schaffermahl-Gäste in auf den Tisch bekamen und berichtet aus erstem Mund: Was für eine prachtvolle Farbe. Dichtes Dunkelrot wie von Tiepolo. Man denkt an schimmerndes Goldbesteck und Delfter Porzellan. Der Wein duftet deutlich nach Brombeeren und Cassis, außerdem Kastanien und nasser Baumrinde. Im Mund matt-seidige und reife Fruchtaromen, aufgemischt von sehr präsenter Säure. Der Wein ist nicht übermäßig aromatisch und deswegen genau richtig für ein frugales Essen. Er ist im besten Sinne ausgewogen. Seine Wärme, die nicht vom Alkohol kommt (kaum merkbare 14 Volumenprozent, die gut eingebunden sind) nimmt den Trinker freundschaftlich bei der Hand. Das Holz vom Fassausbau hält sich zurück, die Tannine sind bodenständig wie ein Paar fest zugeschnürte Wanderschuhe. Nach einigen Minuten rieselt feine Süßlichkeit mit Brombeer-Noten herein. Richtung Abgang schmeckt man noch ein paar Gewürze und im Nachhall gebeiztes Holz. Säure, Frucht, Mineralität – alles ist hier gut balanciert. Wie sich das für einen typischen Vertreter der Region gehört.

Der Château Arnauld ist das Prachtexemplar eines Cru Bourgeois, was übersetzt „bürgerliches Gewächs“ heißt und die Wein-Mittelschicht darstellt, unterhalb der adeligen Grands Crus, die bereits 1855 vergeben wurden und heute nicht mehr so wichtig zu nehmen sind. Klimawandel und technischer Fortschritt im Keller haben die Weinherstellung und die Möglichkeiten, an der Qualität zu schrauben, enorm verändert. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ich rate dazu, diesen Wein einmal jetzt zu trinken und danach ein paar Flaschen wegzulegen. Und nach einigen Jahren wieder zu öffnen und probieren, wie sich der Wein entwickelt hat. Haben sich die Tannine erweichen lassen? Was wurde aus der Frucht?

Zum Câteau Arnauld empfehle ich eine geschmorte Lammschulter mit Knoblauch und reifen Tomaten. Der mediterrane Klassiker passt perfekt zu diesem fruchtigen Wein. Seine Tannine werden sich gut mit dem cremig-herben Lammfleisch vertragen. Übrigens, der Weißwein zur Schaffermahlzeit 2015 war ein 2012er Ürziger Würzgarten Spätlese Alte Reben trocken vom Weingut J.J. Christoffel Erben in Ürzig.

 

Datum: 17.1.2018 (Update 12.10.2020)
 

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